Konstanzer Interdisziplinäres Netzwerk KinDheit

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Der Ton macht die Musik - und hilft Kindern beim Erkennen der ersten Wörter

beteiligte Wissenschaftlerinnen:

Prof. Dr. Bettina Braun

Dr. Muna Pohl

Katharina Zahner

 

Im Babysprachlabor untersuchen wir, wie Kleinkinder aus der kontinuierlichen Rede Wörter extrahieren. Diese Aufgabe ist sehr schwierig, weil es in der gesprochenen Rede keine Pausen zwischen den Wörtern gibt. Frühere Studien zeigen, dass Kinder bereits mit 8 Monaten zweisilbige Wörter erkennen können, die mit einer betonten Silbe anfangen (z.B. Kasse). Wir untersuchten, ob Kinder die Sprachmelodie als Hinweis auf Betonung werten. Sprachmelodie und Wortbetonung hängen im Deutschen nur lose miteinander zusammen: Wörter werden je nach Situation mit unterschiedlichen Melodien produziert ("Der Ton macht die Musik"). Wenn Sprecher etwa davon ausgehen, dass das, was sie sagen, für den Zuhörer neue Information darstellt, produzieren sie einen hohen Ton auf der betonten Silbe (Bsp. a). Wenn sie davon ausgehen, dass die Information schon bekannt ist, nutzen sie einen tiefen Ton auf der betonten Silbe (b).

Wir untersuchten, ob Kinder die betonte Silbe unabhängig von der Sprachmelodie als Wortanfang verstehen. Insgesamt haben 32 Kindern im Alter von 9-10 Monaten an der Studie zu dieser Frage teilgenommen. Dabei fanden wir heraus, dass Kinder zweisilbige Wörter mit einem stark-schwachen Rhythmus (z.B. Kasse) nur dann wiedererkennen, wenn die Wörter zuvor mit einem hohen Ton auf der betonten Silbe präsen-tiert wurden (a), aber nicht, wenn sie zuvor mit einem tiefen Ton auf der betonten Silbe präsentiert wurden (b).

Für deutsche Kinder klingt eine Silbe also nur dann betont, wenn sie mit einer hohen Stimme gesprochen wird. Möglicherweise liegt das daran, dass wir im Gespräch mit Kleinkindern bei betonten Silben oft die Stimme heben (a).

Wir planen weitere Studien, um herauszu-finden, ob die Sprachmelodie bei der Wahr-nehmung der betonten Silbe wichtiger ist als Dauer und Lautstärke. Wir hoffen dafür wei-terhin auf die Teilnahme vieler Kinder im Alter zwischen 9 und 10 Monaten. Ein herzliches Dankeschön geht an dieser Stelle an die Eltern der Teilnehmer unserer Studie für ihre große Bereitschaft, uns bei der Erstspracherwerbsforschung zu unterstützen!

 

(Stand: Februar 2014)

Fragestrukturen bei 2- bis 5-jährigen deutschsprachigen Kindern

Bei den bisherigen Auswertungen können wir einen plötzlichen Übergang von verkürzten Fragen wie

Saft drauf? zu ausformulierten Fragen wie Trinkt der Elefant auch Saft? in der Altersgruppe 2;0 bis 2;6 beobachten. Wird das Vollverb zunächst noch an das Ende des Satzes gestellt, taucht es plötzlich am Anfang der Ja-/Nein-Fragen auf (Au no gießen? → Gießt der Elefant auch die Blumen?). In den verkürzten Fragen ohne Inversion erscheint das Verb in Infinitv-, aber auch bereits in flektierter Form, z.B. Gießen kann? Die Kinder zeigen insgesamt einen sehr sicheren Umgang mit deutschen Fragestrukturen. Es treten nur wenige Wortstellungsfehler, Subjekt- oder Artikelauslassungen auf. Interessant ist ebenfalls zu beobachten, dass einige der älteren Kinder auf Vereinfachungsstrategien zurückzugreifen scheinen, z.B. auf Konstruktionen mit TUN wie in Tut der Elefant auch einen Apfel essen?, um ihre Fragen immer identisch beginnen zu können.

(Stand: August 2013)

Erstspracherwerb von Sprachlauten und Silben in unterschiedlichen Satzmelodien des Deutschen

Das Ziel dieses Projekts ist, herauszufinden, inwiefern die Satzmelodie bei der Realisierung von unbetonten Silben im Deutschen eine Rolle spielt.

Vorherige Studien haben gezeigt, dass englischsprachige Kinder gerne ein rhythmisches Muster aus abwechselnd betonten und unbetonten Silben sprechen. Sätze mit einem anderen Betonungsmuster werden oft angeglichen, indem bei zwei aufeinander folgenden unbetonten Silben eine weggelassen wird. Wir möchten nun untersuchen, ob dies auch bei deutschsprachigen Kindern zutrifft.

Dafür vergleichen wir eine Gruppe an bilingual deutsch-italienischen Kindern mit einer Gruppe monolingualer deutscher Kinder. Eine Wahrnehmungsstudie soll außerdem zeigen, ob Kinder wissen, wie fehlerhaft ausgesprochene Wörter richtig lauten und ob fehlerhafte Äußerungen in der Produktion allein auf das Betonungsmuster zurückzuführen sind. Dabei werden 18, 27 und 36 Monate alten Kindern auf einem Bildschirm Objekte präsentiert, von denen jeweils eines benannt wird. Einige der Bezeichnungen enthalten kleine Aussprachefehler (wie ‚Kopf’ statt ‚Knopf’). Entdeckt das Kind den Fehler, schaut es etwas irritiert zwischen den Objekten hin und her. Bei einer richtigen Bezeichnung wendet das Kind seinen Blick sofort zum richtigen Objekt. Messungen der Fixationsdauer geben über die Reaktionen der Kinder Aufschluss.

Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass die monolingual deutschen Kinder weniger Schwierigkeiten mit unterschiedlichen rhythmischen Satzmustern im Vergleich zu den bilingual deutsch-italienischen Kindern im gleichen Alter haben. Bei den bilingualen Kindern haben wir in Sätzen mit einem unregelmäßigen rhythmischen Muster häufiger Silbenauslassungen festgestellt, als bei den monolingualen Kindern. Die Tilgung von unbetonten Silben geschieht jedoch nicht willkürlich. Beispielsweise wurde das ‚Ge-’ in ‚Gesicht’ häufiger weggelassen als das ‚ge-’ in ‚gelaufen’. Wir vermuten, dass Kinder zwischen Silben mit und ohne grammatische Information unterscheiden können.

Die Ergebnisse der Wahrnehmungsstudie zeigen bisher außerdem, dass Kinder generell in der Lage sind, die Aussprachefehler zu erkennen. Die Tendenz ist, dass Auslassungen von Sprachlauten (z.B. ‚Taube’ statt ‚Traube’) ein gravierenderer Fehler ist als Einfügungen (z.B.  ,Knopf’ statt ‚Kopf’).

Um diese Ergebnisse zu festigen wird das Projekt noch bis Mitte nächsten Jahres fortgeführt werden.

(Stand: Nov. 2012)